Fängst Du die Dinge erst gar nicht an, weil Du Angst hast, nicht gut genug zu sein? In diesem Artikel erzähle ich Dir, warum es gerade für depressive Menschen so wichtig ist, immer wieder Neues auszuprobieren.
Wenn die Liebe mit Leistung verknüpft ist
Kennst Du das? Du hast schon lange etwas vor, tust es aber einfach nicht, weil Du zum Beispiel denkst, dass Du es vielleicht nicht schaffst, dass Du nicht gut genug dafür bist, oder dass es Dir eventuell zu viel sein könnte.
Gerade Menschen, die Liebe an Leistung knüpfen, gehen die Dinge oft gar nicht erst an, weil sie Versagensängste haben. Diese Ängste kommen in der Regel aus unserer Kindheit. Unsere Eltern gaben uns das Gefühl, dass sie uns nur lieben, wenn wir etwas gut machen oder wenn wir etwas so machen, wie sie es als gut empfinden. Das soll keine Schuldzuweisung an unsere Eltern sein. Sie wussten es einfach nicht besser oder wollten uns mit ihren Vorgaben sogar schützen. Ich wurde selbst als Kind oft in meinem Tun ausgebremst, weil mein Vater ein Mensch mit ganz klaren Linien und Vorstellungen ist. Er sagt mir heute noch, wie man eine Brotscheibe richtig abschneidet. Und ich bin 40 Jahre alt. Heute kann ich darüber schmunzeln und ihn einfach so annehmen wie er ist. Außerdem glaube ich fest daran, dass unsere Seelen sich aussuchen, was sie erfahren möchten. Vielleicht möchte meine Seele Selbständigkeit und Mut erfahren? Ich habe festgestellt, dass die Seele eigentlich immer das Gegenteil von dem ergründen will, was einem im negativen Sinne passiert. Denn nur, wenn man die eine Seite kennt, wird einem die andere Seite auch klar. Das ist das universelle Gesetzt der Polarität.
Wenn Liebe an Leistung geknüpft ist, dann ist der Gedanke, der unbewusst mitschwingt, wenn wir etwas tun möchten, meistens: 'Wenn ich das nicht schaffe, dann hat mich mein Papa oder meine Mama nicht mehr lieb.' Dieser oder ein ähnlicher alter Glaubenssatz ist es, der uns die Dinge gar nicht erst versuchen lässt. Wir haben unbewusst Angst, nicht mehr geliebt zu werden, wenn wir versagen.
Aber was passiert denn genau, wenn Du es z.B. nicht schaffst? Warum ist es denn überhaupt schlimm, wenn Du es vielleicht nicht kannst? Was geschieht wirklich, wenn Du etwas anfängst, merkst, dass es Dir zu viel wird, oder Du es irgendwie nicht kannst und es dann wieder abbrichst? Es passiert Dir überhaupt nichts. Und wenn Dich tatsächlich jemand dafür verurteilt, dass Du mit einer Sache aufhörst, die nichts für Dich ist, dann ist das einzig und alleine sein Problem. Das hat nichts damit zu tun, dass Du nicht gut oder liebenswert bist.
Es geht überhaupt nicht darum, etwas zu schaffen oder nicht. Wichtig ist nur, dass Du es tust. Denn nur durch das Ausprobieren, erkennst Du doch erst, ob es das Richtige für Dich ist. Wenn es gut für Dich ist und wenn es Dich erfüllt, dann schaffst Du es auch. Und wenn es Dir zu viel ist, oder Du es nicht kannst, dann ist es auch nicht das Richtige für Dich. Und dann ist es auch gut, dass Du es nicht schaffst. Denn dann kannst Du aufhören damit und Dir etwas anderes suchen. Nur, indem Du die Sachen ausprobierst, kannst Du Deine Gabe entdecken und diese mit der Welt teilen.
Das Tun macht doch erst das Leben aus. Etwas zu tun, ist genau das, was uns dabei hilft, uns von der Depression zu befreien. Denn durch unser Tun, bekommen wir neue Eindrücke und dies lässt neue Synapsen in unserem Gehirn entstehen.
„Jede emotionale Kommunikation mit anderen und vor allem jede gedankliche Kommunikation
mit uns selbst, kann die Struktur der vernetzten Neuronen verändern.“
Eric Kandel
Unser Gehirn zeichnet sich durch eine Vielzahl von Nervenzellen aus, die sich in übergeordneten Netzwerken organisieren. Das kann man sich vorstellen wie ein unendlich großes Straßennetz, bestehend aus Autobahnen, Landstraßen, Nebenstraßen, Kreuzungen und Verbindungen. In diesem neuronalen Netzwerk werden Gesprächs- und Gedankeninhalte kodiert. Bei einer Depression haben die Nervenzellen untereinander ihre Vernetzung reduziert, weil es jeden Tag gleich grau und gleich hoffnungslos ist. Das Gehirn zieht sich dann sozusagen zurück, weil es außer für die tägliche, immer gleiche negative Gedankenspirale, ja nicht mehr benötigt wird. Wenn nun aber neue, lebensbejahende Gedanken in Verbindung mit Gefühlen dazukommen, werden sogenannte Nervenwachstumsfaktoren ausgeschüttet. Dann werden plötzlich bestimmte Prozesse im Körper wieder aktiviert, die durch die Depression fast abgeschaltet waren.
Es kommt zu einer Neu- oder Wiedervernetzung im Gehirn. Das Gehirn ist sozusagen wieder voll da und plötzlich ist etwas möglich, was vorher undenkbar war. Das bedeutet, du kannst Dein „Straßennetzwerk“ eigenständig mit guten Gedanken und Gefühlen verändern. Und wie erreichst Du das am Besten? Garantiert nicht, wenn Du Dich zu Hause einigelst. Sondern mit neuen, positiven Erlebnissen. Denn diese Erlebnisse geben Dir ein gutes Gefühl, das Gefühl lässt Dich positiv denken, was Dir wieder ein gutes Gefühl gibt: Der Weg zur Heilung beginnt! Neues auszuprobieren, kann heilend wirken. Wenn Du viele Dinge ausprobierst, ist die Chance groß, dass Du irgendwann etwas findest, dass Dich absolut erfüllt. Genau das zu finden, hat mich von meiner Depression befreit.
Ich weiß, die erste Überwindung ist die größte Hürde. Mir ging es genauso. Zu Hause passiert uns nichts. Hier sind wir sicher und geschützt vor der bösen Welt da draußen. Hier kann uns niemand etwas tun. Außerdem fehlt uns sowieso die Lust zu allem. Doch glaube mir, die Welt da draußen ist nur böse, weil Du in Dir so darüber denkst. Es gibt auch sehr viel Gutes in dieser Welt. Je mehr Du Dich dem Schönen und Guten öffnest, desto heller wird Dein Leben werden. Und die Lust kommt mit dem Tun. Mit jeder aktiven Handlung nimmt Dein Selbstvertrauen zu. Mit jeder Handlung wird es leichter werden, wieder zu handeln und schon bist Du auf dem Weg der Heilung.
Doch den allerersten Schritt, kann Dir keiner abnehmen. Den darfst Du ganz alleine gehen. Es muss nicht immer etwas Großes sein. Besuche einen Vortrag, der Dich schon lange interessiert, melde Dich zu einem Yogakurs an, ruf' Menschen an, die Du magst und schon lange nicht mehr gehört hast. Übernimm die Initiative und die Verantwortung für Dich und Dein Leben, dann wird sich alles verändern.
Nun wünsche ich Dir noch einen wunderschönen Tag, Abend oder eine gute Nacht, je nachdem in welcher Zeit Du auch immer Dich gerade befindest.
Die Liebe in mir, grüßt die Liebe in Dir!
Deine Andrea
Buchtipp
Wer kennt nicht die Angst vor zu enger Bindung und die Angst vor dem Verlassenwerden? Wer hat nicht die Angst vor dem Ungewissen, aber auch die Angst vor dem Endgültigen durchlebt? Riemann nennt sie die vier Grundformen der Angst und entwickelt daraus eine Charakterkunde mit vier Persönlichkeitstypen. Zu jeder Persönlichkeitsstruktur werden das Verhältnis zur Liebe und zur Aggression, der lebensgeschichtliche Hintergrund und typische Beispiele aufgezeigt. Dieser Klassiker einer verständlichen Psychologie erreichte bislang eine Gesamtauflage von über 950.000 Exemplaren und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Ilona (Montag, 27 August 2018 17:35)
Ein wunderbarer Artikel und so treffend formuliert! Danke liebe Andrea!